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Zeitzeugeninterview

Zeitzeugeninterview - Mauerbau, Zeit der Mauer und Mauerfall

Interview mit Frau Schulze, frühere Schulsekretärin der Salvatorschule

Wie war es in der Zeit vor dem Mauerbau? Hatten Sie damit gerechnet, dass die Stadt geteilt wird?

Nein, überhaupt nicht. Das war für mich vollkommen überraschend. Ich muss mal anfangen. Ich habe drüben im Osten gewohnt und zufälligerweise war ich am 12. August, einen Tag vor dem Mauerbau am Gesundbrunnen im Kino. Ich habe in Pankow gewohnt und da war der Gesundbrunnen der Anlaufspunkt für uns, wenn man einkaufen wollte. Als ich nach dem Kino auf den Bahnhof Gesundbrunnen kam, wunderte ich mich, dass da eine Menschenmauer stand. Alle standen da und warteten und es kam kein Zug. Es kam auch keine Ansage, keine Durchsage, es fuhr überhaupt kein Zug und wir wunderten uns, warum nichts passierte. Ich habe es mir eine halbe Stunde angehört und dann dachte ich abend, läufst du zu Fuß nach Hause- dauert auch nur eine halbe Stunde. Gesagt, getan. Ich komme Wollankstraße an die Grenze und es war ein riesen Aufgebot an Polizei und Schutztruppen, Betriebskampftruppen nannte sich das. Das waren zivile Kampftruppen,, die aus den Betrieben gebildet wurden. Und da sah man schon Maschendrahtzäune. Es war also noch nicht so massiv. Und die Menschen strömten alle rüber- es wurde noch nicht kontrolliert. Und ich kam nach Hause und man hörte immer Durchsagen durchs Radio, dass der Grenzverkehr nicht mehr möglich ist, weiter wurde nichts gesagt dazu. Das war dann die Nacht von Samstag zu Sonntag. Sonntag vormittag ging ich in die Kirche und zwar in die Suppenküche in Pankow -das war meine Anlaufstelle. Das war keine Pfarrkirche, die war viel weiter weg. Aber es war wie ein zweites zu Hause für mich. Die Zäune waren gezogen, kein Auto kam mehr vorbei und die Leute standen fassungslos wie eine Mauer auf der Ostseite. Die Leute haben gefragt, was das soll, haben sich mit den Volkspolizisten angelegt, aber es brachte ja nichts. Das war das Ergebnis. Man wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Es gab ja Kontakte hin und her, nicht nur familiär, sondern es hatten etliche Leute aus dem Osten im Westen gearbeitet und das ging nun nicht mehr. Die Menschen im Osten waren vollkommen schockiert- geahnt hatte es keiner. Wir mussten uns alle fügen. Das war nun ein Bericht über das öffentliche Geschehen. Privat war es so, dass mein Freund, mein jetziger Mann, im Westen lebte, aber im Osten arbeitete er auf einem Schlachthof als Tierarzt. Dadurch war er einer der wenigen Grenzgänger, die vom Westen in den Osten kamen. Er hatte bis November die Möglichkeit in den Osten zu fahren. Bahnhof Friedrichstraße war damals der einzige Durchgang, bis auf den Chackpoint-Charly, aber der war ja damals für die Alliierten vorbehalten und Friedrichstraße war halt für Ausländer, die als Touristen kamen und rübergefahren sind. Mein heutiger Mann kam also immer rüber zu mir- wir wollten ja zusammenbleiben. Und dann haben wir beschlossen, dass ich zu ihm in den Westen komme. Er hat Verbindungen aufgenommen-damals war an der Freien Universität eine Gruppe, die sich damit beschäftigt hat Pässe auszustellen für Studenten, die im Osten an der FU studiert hatten und rüber wollten. Und mein Mann hat sich gemeldet und sagte, er kann durch die Grenze gehen und will mich rüberholen und als Preis hat er dafür Pässe von West- nach Ost-Berlin an Adressen gebracht. Er hat das fünf bis sechs mal gemacht. dann hatte er meinen Pass und dann bin ich mit einem gefälschtem Pass über die Friedrichstraße in den Westen gekommen.

Nach wie langer Zeit war das?

Das war im November. Also am 13. August wurde die Mauer gebaut und am 7. November bin ich rübergegangen. Meine Eltern dürften es vorher nicht wissen und meine Arbeitsstelle -ich musste alles stehen und liegenlassen. Wenn ich irgendetwas gemacht hätte, hätte es ja vielleicht Verdacht erregt. Ich habe damals am Alexanderplatz gearbeitet. und dann war ich von einem Tag auf den anderen nicht mehr da.
Meine Eltern wussten eine Woche nicht, was mit mir passiert ist. Hätte ja auch schiefgehen können -hätte ja in Hohenschönhausen landen können. Ich erfuhr dann, dass bei ihnen eine Hausduchsuchung war -es wurde ihnen immer noch nicht gesagt, dass mir nichts passiert ist. Das haben sie erst acht bis zehn Tage später erfahren, als ich ihnen einen Brief unter falschem Namen und Adresse geschrieben habe. Ich schrieb, dass ich hierbleiben wollte und heiraten wollte. So habe ich es auch gemacht.

Hatten Sie die Möglichkeit Ihre Eltern während die Mauer stand zu sehen?

Ja,später schon, aber erstmal nicht. Anfangs gab es die Möglichkeit ja überhaupt nicht einmalig rüberzugehen, aber als unsere Tochter ein Jahr alt war, waren Bekannte bei uns, die mit einem Passierschein die Grenze überquerten und die haben dann das Kind mit rübergenommen. Ich weiß heute nicht mehr, wie das funktioniert hat, da das Kind nicht mit in den Pass eingetragen war. Sie hatte allerdings schon ihren eigenen Lichtbildausweis, weil wir ins Ausland schon gefahren sind und auf Grund dessen wurde es beantragt und genehmigt. Andere Leute haben mein Kind mitgenommen und für einen Tag zu meinen Eltern gebracht. Es ging auch alles sehr gut. Dann hat es noch zwei bis drei Jahre gedauert, bis wir uns trauten in Osten zu fahren. Es war ja dann möglich, dass die Westdeutschen mit ihren Pässen über die Grenzen konnten. Wir haben uns von Bekannten westdeutsche Pässe besorgt, mit denen wir dann häufig rübergefahren sind. Das war ende der 60er Jahre. Nach dem Tod von meinem Vater, haben wir meine Mutter dann zu uns geholt.

Haben Sie die Rechtfertigungen vom Staat geglaubt, oder standen Sie dem kritisch gegenüber?

Nein, ich habe das überhaupt nicht geglaubt. Und ich muss dazu sagen, dass mich da auch ein ganzes Stück die Kirche oder der Glauben vor bewahrt hat. Es war schon in der Schule so, dass wir lieber alle Englisch gelernt hätten. Man hat das Vorgehen und die Entwicklung in West-Berlin miterlebt und es gab immer Kontakte. Man nahm auch am kulturellem Leben teil. Das war vollkommen selbstverständlich. Die Kirche hat ja viele Veranstaltungen duchgeführt. Die Katholikentage waren damals besucht- das kann man sich heute gar nicht mehr so vorstellen. Am 17. Juni 1953 war der große Volksaufstand und zu der Zeit fuhren in Ost-Berlin Panzer auf und stellten Regeln auf, wie, dass man ab 19 oder 20 Uhr nicht mehr auf der Straße sein dürfte. Man dürfte zu der Zeit natürlich auch nicht mehr rüber. Auf jeden Fall war am Tage der Volksaufstandes ein Katholiken- oder Bistumstag, der in der Waldbühne stattfand. Es gab ausnahmsweise für dir Katholiken die Möglichkeit sich einen Schein zu holen und auf Grund dieses Scheines dürfte man für einen Tag nach West-Deutschland. Ich gehörte selbstverständlich zur Kirche und alles, was mit dem Kommunismus zusammenhing war für mich Atheismus. Das habe ich strikt abgelehnt!

Und wie haben sich die Menschen in Bezug auf die Erklärungen des Staates in Ihrer Umgebung verhalten? Gab es viele Unterstützer dieser Maßnahmen?

Nein, also ein Großteil auf jeden Fall nicht. Es gibt halt nur eine große Masse, die sich fügt. Den Menschen blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen, dennoch haben die Meisten dieses Regime abgelehnt. In den 80er Jahren jedoch wurde es anders. Die Mauer stand nun mal und viele- Kinder und Jugendliche sind in diese Situation hineingewachsen. Jedoch für uns war es anders. Wir kannten den Westen und eine anders Berlin eben. Natürlich hat jeder einen wirtschaftlichen Unterschied gesehen, aber das war nicht das Ausschlaggebende. Das Ausschlaggebende war, dass man ein Zusammengehörigkeitsgefühl hatte

Hatten Sie damit gerechnet, dass die Mauer über ein viertel Jahrhundert stehen würde?

Nein, das konnte sich keiner vorstellen. Manche hatten es so prophetisch gesagt, aber das war eine pessimistische Einstellung, die man nicht glauben wollte. Wie gesagt, wir wussten nicht, wie es weitergehen sollte Die Bahn und so viele Bereiche gehörten ja zusammen. Wie sollte das nun alles auseinandergehen?! Und wie bereits erwähnt, hatte mich die Kirche davor bewahrt, dass ich diesem Regime nichts abgewinnen konnte. Es waren viele in meiner Klasse, wir waren ca. 32 Kinder-da waren gerade 4 oder 5 von uns in der Jugendorganisation. Viele waren wie ich durch ihre kirchliche Bindung davor geschützt in die Jugendorganisation zu gehen. Zu der damaligen Zeit war es so, dass die Jugendliche, die zur Kirche gehörten ein Kreuz trugen. Und ich habe damals im Ministerium für Gesundheitswesen gearbeitet Und da wurde es gar nicht gerne gesehen. Erstmals hatte ich striktes Verbot West- Berlin zu betreten Ich hätte ja ausgekundschaftet werden. Und das Kreuz wurde mir sehr übel genommen. Also habe ich mir eine neue Arbeitsstelle gesucht.

Hatten Sie wirtschaftliche Konsequenzen in der sowjetischen Besatzungszone mitbekommen?

Also durch den Mauerbau sind nur geringe Konsequenzen entstanden. Jedoch durch die Einführung der Planwirtschaft schon vorher taten sich große Unterschiebe auf. Das ist klar! Gerade in Bezug auf Mode, das war ja alles kein Vergleich mehr mit dem Osten. Und beim Essen überlegte man nicht groß, ob es reichhaltig ist. Die Hauptsache war, dass man satt war. Man schraubte seine Erwartungen runter, da wir Lebensmittel, wie Apfelsinen nicht bekamen.

Hatten Sie im Osten durch den Mauerbau auch positive Aspekte mitbekommen?

Durch den Mauerbau enstand vielleicht ein starker Zusammenhang. Aber dadurch, dass ich es nur 3 Monate miterlebt habe, kann ich auch nur aus Erzählungen meine Einschätzung schöpfen. Allerdings denke ich, dass sich das in den 80er Jahren auch wieder aufgelöst hatte. Man arrangierte sich halt mit dieser Situation- was blieb ihnen denn auch anderes übrig?!

Hatten Sie andere oder weitere Fluchtgeschichten und ihren Ausgang mitbekommen?

Ja, ich habe dann an und ab von Fluchtgeschichten gehört, aber nicht so groß. Ich glaube, ich wollte davon dann auch gar nichts mehr hören, weil es für mich selber sehr bitter wird. Über den Tunnelbau wusste ich schon Bescheid, aber ich konnte nichts mehr davon sehen und hören. Ich weiß nur, dass die Studenten, für dir mein Mann die Pässe in den Osten brachte, alle die Chance wahrnahmen. In den späteren Jahren wäre jedoch niemand mehr auf diese Weise, wie ich in den Westen gekommen, da die Pässe ja sehr primitiv gefasst waren und die Möglichkeiten soetwas aufzudecken doch sehr viel feiner waren. Viele Menschen haben die Situation auch nicht rechtzeitig erkannt. Sonst hätten viel mehr die Möglichkeit schon in den ersten Wochen wahrgenommen zu fliehen. Ich weiß, dass viele noch nach einer Chance gesucht haben zu gehen, aber wussten nicht mehr, wie sie es machen sollten.

Was für Kriterien mussten erfüllt werden, als in den 80er Jahren die Möglichkeit vereinzelnd bestand für ein paar Tage in den Westen zu reise?

Es sollten möglichst Familienmitglieder zurückbleiben, damit es einen Rückhalt gab. Am Besten ein Kind. Außerdem musste ein konkreter Anlass vorhanden sein, um einen Passierschein zu erlangen. Für diese Bearbeitung musste eine Dauer von ein paar Wochen einberechnen. Oft bekam man den gewünschten Termin nicht, wenn der Antrag nicht rechtzeitig gestellt wurde. Es wurden häufig nicht einmal Dienstreisen genehmigt - vom Westen redete man nicht mal, aber es hat selbst ein paar Jahre gedauert, bis arbeitsbedingte Reisen in den Osten erlaubt waren.

Befürchteten Sie politische Konsequenzen, wie Krieg oder Blockaden in Berlin?

Ja, diese Angst bestand auf jeden Fall. Zumal wir 1953 gesehen haben wozu die Machthaber fähig sind, da sie ja ihre eigenen Landsleute bedroht haben. Dies sind Bilder, die bleiben und prägen.

Gab es Situationen, in denen Sie vom kommunistischen Staat positiv überrascht waren?

Vom Staat direkt nun nicht, aber von den Vertretern des Staates, wie der Grenzpolizei. Es gab eine Situation, als mein Mann und ich in den Osten reisen wollten. Es war so, dass man das Geld umtauschen musste. Und das West-Geld musste man drüben lassen. An einem Tag allerdings hatten wir es vergessen. Ich hatte das Geld im Pass. Wir kamen an die erste Kontrolle, an der überprüft wurde, ob wir berechtigt seien überhaupt an die Grenze zu fahren. Wir holten also die Pässe raus und da beugte sich der Grenzsoldat zu uns nach vorn, reichte uns das Geld und meinte nur, dass wir das Geld jetzt ganz weit weg stecken sollen - und winkte uns weiter. Das war ja eigentlich ein Devisenvergehen, wenn man 25 Ostmark in den Westen mitnahm. Es gab also auch Menschen.

Hatten Sie damit gerechnet, dass die Mauer fällt oder kam das plötzlich für Sie?

Nein, damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet, weil es auch keine Anzeichen dafür gab. Wir haben es anfangs auch gar nicht fassen können. Außerdem würde man seines Lebens nicht mehr froh werden, wenn man ständig über den Fall der Mauer spekuliert hätte. Die Mauer hatte schon längst an Normalität gewonnen und da hatte man mit dem Fall dieser überhaupt nicht gerechnet. Wir waren bloß verwundert, als wir mit der Schule kurz vorher drüben waren, da man eine gewisse Unruhe spürte. Aber dieses Gefühl war nicht fassbar. so dass man eine direkte Veränderung sehen konnte. Und als es dann am 9. November soweit war, konnte ich überhaupt nicht begreifen, dass dieser Traum wahr werden sollte. Diesen Tag werde ich genauso wenig vergessen, wie den Tag des Mauerbaus. Aber ich selber bin nicht an diesem Tag zur Bornholmerstraße gegangen.

Sind Sie an diesem Tag Ihrem Alltag nachgegangen? Etliche Lehrer sind zur Bornholmer Straße gefahren. Ich selber allerdings bin in der Schule geblieben. Den Trubel wollte ich nicht haben. Gearbeitet in der Schule wurde allerdings auch nicht. Ganz spontan wurde eine Andacht gehalten und das Lied " Großer Gott, wir loben dich" wurde angestimmt. Ein paar Tage später hatte ich ständig das Gefühl, da das Wetter zu der Jahreszeit ja sehr trist war, dass doch die Umgebung mehr glänzen sollte und die Leute glücklicher sein sollten, weil ich selber so eine starke innere Freude hatte.

Würden Sie die Mauer gerne wieder haben?

Niemals, nie wieder eine Mauer!

Kennen Sie Menschen die sich die Mauer zurückwünschen?

Ja, in der Familie. Meine Tochter hat vor dem Mauerfall bei den Amerikanern gearbeitet. Die Amerikaner sind zurückgegangen und sie hat dadurch ihre Arbeitsstelle verloren, an der sie sehr gehangen hat. Die Mauer war gefallen und sie konnte zwar noch 2 Jahre bei den Alliierten arbeiten, aber die Versprechungen, dass die zivilen Angestellten Arbeit bekommen, wurden nicht eingehalten. Sie hatte vorerst keinen neue Arbeitsstelle bekommen. Meine Tochter wünschte sich die Mauer wieder, aber das kann man gar nicht vergleichen, da sie stark durch ihre persönliche Situation beeinflusst war.

-Daniela Roeske

Quelle: http://www.google.de/imgres?q=bau+der+berliner+mauer&num=10&um=1&hl=de&tbo=d&biw=1366&bih=624&tbm=isch&tbnid=
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